Themen: Umsiedlung
Zu den folgenreichsten Konsequenzen des Braunkohlenbergbaus gehört die mit der Abbaggerung von Orten einhergehende Umsiedlung der betroffenen Menschen. Der Ausstellungsbereich versucht eine Annäherung an die Schicksale der umgesiedelten Bewohner, an ihre Erfahrungen von Verlust und Neubeginn.
Eine Multimediastation und Vitrinen mit Audioeinspielungen informieren zu Voraussetzungen, Durchführungspraxis, Folgen von Ortsabbrüchen und Umsiedlungen in der Lausitz unter folgenden Fragestellungen:
Wie verlief die historische Entwicklung der Lausitzer Braunkohlenindustrie?
Was bedeutete der Beschluss einer Umsiedlung für die Bewohner?
Inwieweit bestand Akzeptanz gegenüber der Umsiedlungsvorhaben?
Wie wurde entschädigt?
Wie erlebten die Bewohner den Niedergang ihrer Dörfer?
Was bedeutete Abschiednehmen vom Ort?
Welche Einspruchsmöglichkeiten und Spielräume hatten die Betroffenen?
Wie sahen die neuen Lebensverhältnisse aus,wohin zogen die Umsiedler?
Was bedeutet Sozialverträglichkeit bei heutigen Umsiedlungen?
Welche Erinnerungskultur pflegen die Umsiedler?
Politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen
Obwohl im offiziellen DDR- Sprachgebrauch von "Ortsverlegungen" die Rede war, wurden keine Orte verlegt oder wiedererrichtet sondern devastiert. Abriss Weißagk (sorbisch Wusoka) ca. 1985
Fotograf: Dietmar Hartenberger
Ortsabbrüche und Umsiedlungen in der Lausitz stehen in engen Zusammenhang mit der Entwicklung der Braunkohlenindustrie. Anfangs wurde Braunkohle noch unter Tage oder in kleinen Gruben gewonnen. Technische Entwicklungen, steigender Kohlebedarf und wachsendes Kapital der Bergbaugesellschaften führten Anfang des 20. Jh. zum Abbau in Tagebauverfahren. Erst damit wurden Ortsabbrüche ab den 1920er Jahren rentabel.
In der DDR erreichten Braunkohlenabbau und Umsiedlungen eine neue Dimension. Die DDR setzte zur Energieerzeugung fast ausschließlich heimische Braunkohle ein. Die Maximierung der Fördermengen führte zur Inanspruchnahme riesiger Flächen. Orte, die in den Kohlefeldern lagen, wurden konsequent abgebaggert. Die größte Zahl der Ortsabbrüche und Umsiedlungen in der Lausitz fiel daher in die Zeit der DDR.
Mit der politischen Wende änderte sich der Stellenwert der Braunkohle erneut. Die Braunkohlenwirtschaft musste sich den neuen Wettbewerbsbedingungen anpassen. Die Förderung wurde reduziert, Tagebaue geschlossen und die Zahl der Ortsabbrüche ging zurück.
Im Herbst 2016 erfolgte der Verkauf der Vattenfall- Braunkohlensparte an die LEAG. Auch gibt es Überlegungen zum Aufschluss eines Tagebaus in der polnischen Nachbarregion. Dies zeigt, dass das Thema Umsiedlung Bewohner, Behörden und Bergbaubetreiber im Lausitzer Revier auch in den kommenden Jahrzehnten beschäftigen wird.
Umsiedlungspraxis und Durchführung
Eigenheimbau eines Umsiedlers Anfang der 1980er Jahre. Trotz geringer Entschädigung, hoher finanzieller und persönlicher Eigenleistung und massiver Materialknappheit war der Bau eines Eigenheims Traum vieler Umsiedler in der DDR.
Fotograf: Fritz Kschammer
In der DDR waren gemeinsame Umsiedlung und Mitwirkungsmöglichkeiten der Bewohner prinzipiell nicht vorgesehen. Vorherrschende Praxis war die Umsiedlung der Betroffenen in die Neubaublöcke der Plattenbauten.
Trotz großer Schwierigkeiten und geringer Entschädigung versuchten viele Umsiedler, zu einem Eigenheim zu gelangen. Dies war nur durch hohen persönlichen und finanziellen Einsatz möglich. Erst Mitte der 1980er Jahre erfolgten Verbesserungen im Wohnraumangebot und in der Entschädigungsleistung.
Sieht man von Eingaben an die Behörden ab, besaßen Umsiedler kaum Möglichkeiten des Widerspruchs gegen eine geplante Umsiedlung. Protestaktionen blieben bis kurz vor der politischen Wende auf Einzelfälle beschränkt.
Umsiedlerzeitschrift für Kausche. Die erste Umsiedlung unter Berücksichtigung sozialverträglicher Kriterien wurde im Lausitzer Revier mit der Umsiedlung von Kausche (sorbisch Chusej) 1996 durchgeführt.
Fotograf: AVO
Nach der Wende erfolgten Umsiedlungen in der Lausitz unter anderen Voraussetzungen. Die Zahl der Umsiedlungen ging zurück, die Notwendigkeit einer Umsiedlung wurde genauer geprüft. Waren Umsiedlungen - aus Sicht der Verantwortlichen – unvermeidbar, wurden sie ab Mitte der 1990er Jahre so weit wie möglich sozialverträglich gestaltet.
Ziel war die gemeinsame Umsiedlung der Bewohner an einen neuen Standort. Umsiedler sollten sich jetzt an allen Planungen und Entscheidungen der Umsiedlung beteiligen. Dazu gehörte u.a. Beteiligung an Auswahl und Gestaltung eines Ansiedlungsstandortes.
Trotz verbesserter Umsiedlungsbedingungen bleibt die Kernfrage, ob eine Umsiedlung tatsächlich unvermeidbar ist, unter den Beteiligten (Verursacher und Betroffene) nach wie vor umstritten.
Auswirkungen von Umsiedlungen
Der Einfluss von Umsiedlungen auf die Lebensverhältnisse der Betroffenen ist individuell sehr verschieden und zudem abhängig von den jeweils vorherrschenden Umsiedlungsbedingungen.
In der DDR waren typische Folgen einer Umsiedlung u.a. geprägt vom langsamen Niedergang der Dörfer und Ortsteile. Mit dem Beschluss zur Umsiedlung – bis zum Abriss konnten fünf oder mehr Jahre vergehen - verlor ein Ort unweigerlich seine Zukunftsperspektive. Häufig verließ
daher ein Teil der Bewohner den Ort vorab, die Bausubstanz verfiel, das kulturelle Leben erlahmte und die Lebensqualität sank. Das langsame Absterben des Ortes stellte für die
Betroffenen daher eine jahrelange Belastung dar. Auf diese schwer zu bewältigenden Vorgänge reagierten die Menschen häufig mit Ohnmacht, Unsicherheit oder Resignation.
Die Umsiedler standen zwischen erzwungenem Abschied und einem unfreiwilligen Neuanfang, der in der Regel keine verbesserten Wohn- und Lebensbedingungen versprach.
Die neuen Wohnverhältnisse in der Stadt waren gerade für Umsiedler vom Land oft problematisch. Dennoch zogen nicht alle Umsiedler unfreiwillig in einen neuen und modernen Neubaublock.
Die Mitwirkung und Einbeziehung der Umsiedler in alle wesentlichen Planungs- und Entscheidungsschritte ist ein zentraler Punkt im Konzept sozialverträglicher Umsiedlungen. Bürgerbeteiligung beim Umsiedlungsvorhaben Haidemühl (sorbisch Gózdź).
Fotograf: Hartmut Rauhut
Ab Mitte der 1990er Jahre versuchte man die sozialen Folgen und Belastungen für Umsiedler, vor, während und nach einer Umsiedlung zu minimieren, d.h. sozialverträglich zu gestalten. Neben umfangreichen Mitgestaltungs- und Informationsangeboten an die Umsiedler war es Ziel, die Lebensqualität der Altorte aufrechtzuerhalten um einem vorzeitigen Zerfall vorzubeugen.
Ob und wieweit eine Umsiedlung tatsächlich sozialverträglich gelungen ist, lässt sich abschließend nur durch die Umsiedler selber beantworten. Trotz qualitativer Verbesserungen in der Umsiedlungspraxis stellt eine Umsiedlung aber nach wie vor einen massiven Eingriff in die gewachsene Sozialstruktur, den Lebensbereich und Planungshorizont der Umsiedler dar.
Eine Umsiedlung bedeutet für die Betroffenen nach wie vor, die meist unfreiwillige Aufgabe ihres Besitzes, ihrer Heimat und die unwiederbringliche Zerstörung ihrer vertrauten Lebensumwelt. Denn die abgebaggerten Orte lassen sich später nicht mehr auffinden.